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GUT GNADENTAL

ist als historische Hofanlage für viele Neusser heute immer noch ein klarer Begriff. Direkt an der Erft inmitten der Auen und Äcker zwischen Gnadental und Selikum gelegen, führt so mancher Spaziergang dort vorbei. Das Gut liegt in einem Gebiet mit hohem Freizeitwert für kleine und große Menschen.

Gleichzeitig liegt es inmitten eines wichtigen Verkehrsknotenpunktes und ist so verkehrstechnisch gut erreichbar: im Süden wird es von der Erft begrenzt, im Westen reicht es an die Bahnstrecke Neuss-Köln und im Osten ist das Autobahn-Dreieck Neuss-Norf zu sehen.

Den wenigsten, die zu Fuß wandern, im Auto oder Zug an Gut Gnadental vorbeifahren, wird bewusst sein, dass sich unter diesen schlichten weißen Bauten ein ehemaliges historisches Kloster mit langer klösterlicher Geschichte verbirgt.

Gut Gnadental damals

Anfang des 13. Jahrhunderts gehörte dieses Land dem Quirinusstift. Ritter Hermann von Forst erwarb das Land durch Tausch und schenkte es dem Orden der Zisterzienserinnen – mit der Auflage, hier ein Kloster zu errichten.

Der Gründungstag des Klosters ist der 22. Februar 1250, der urkundlich durch einen Ablaßbrief belegt ist. Wir wissen heute, dass Gnadental viel älter sein muss.

Im Rahmen der Sanierung, die vom Architekten Wolfgang Pelzer und dem Statiker Klaus Günter geleitet wird, entdeckte die städtische Archäologin und Leiterin des Bodendenkmalamtes der Stadt Neuss, Sabine Sauer, bei ihren Ausgrabungen, das sehr gut erhaltene Fundament eines runden Eckturmes. Sie ordnete ihn zweifelsfrei einem römischen Kleincastel (Burgus) aus dem 4. Jahrhundert zu.

Um Zerstörungen durch Umwelteinflüsse zu verhindern, wurden die Fundamente luftdicht abgedeckt und wieder zugeschüttet. Da es keine vergleichbar gute Substanz in unserem Raum gibt, prüft Frau Sauer den finanziellen Aufwand der Konservierung, um dieses Geschichtsgut der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ebenfalls aus dem 3./4. Jahrhundert stammt ein Steinsarkophag, den Sabine Sauer hier auf dem Gut entdeckte. In Neuss gibt es ein so altes Stück nur noch einmal im Quirinus – Münster.

Ora et labora, jeder kennt das Mönchswort bete und arbeite. Bernhard von Clairvaux, der Gründer des Zisterzienserordens, gab diese Regel aus: Die Menschen unseres Ordens müssen von Ackerbau und Arbeit leben und das Land urbar machen. Nach dieser Ordensregel wurde auch im Kloster Gnadental gelebt und gearbeitet.

Ins Kloster Gnadental traten vor allem Töchter des Landadels aus dem Umkreis ein. Sie brachten vielfach Ländereien als Aussteuer oder Erbe mit ein. Der Orden wurde vermögend, er erlitt aber auch harte Schicksalsschläge. Seuchen und Kriege machten vor den Klostermauern nicht halt. Regelmäßig kämpften die Nonnen auch gegen das Hochwasser der Erft an, ein Problem, dass es heute durch den Tagebau so nicht mehr gibt.

Ein schwarzes Jahr war 1474. Während der Belagerung der Stadt Neuss durch die Truppen des Herzogs von Burgund, wurde das Kloster vor den Toren der Stadt von burgundischen Soldaten geplündert und verwüstet. Vor Gram starb die Äbtissin.

Wirklich ins Zentrum der rheinischen Geschichte rückte das Kloster während des Kölner Krieges 1585/86. In diesem Krieg wurde Neuss vom Truchsäss von Waldburg erobert, der zum Protestantismus übergetreten war. Papst Sixtus V. gefiel das gar nicht und befahl dem Feldherrn Alexander Farnese von Parma, Neuss zurück zu erobern.

Hier auf Gnadental schlug der Feldherr aus Parma sein Hauptquartier auf und baute das Kloster zu einer Schanze aus. Gräben und der Wall sind noch heute recht gut zu erkennen. Nach der Rückeroberung von Neuss hielt er hier auf Kloster Gnadental am 30. August 1586 seine Siegesfeier ab. Neuss war dadurch wieder katholisch geworden und blieb treue Tochter Kölns.

Mit den Franzosen endet die Geschichte des Klosters. 1802 ordnet die französische Verwaltung im Rheinland die Säkularisation kirchlicher Einrichtungen an. Die Nonnen mussten das Kloster verlassen, das Kloster wurde enteignet.

Damit begann hier ein neues Kapitel, aus dem Kloster wurde Gut Gnadental.

Schon vorher hatten die Schwestern hier Landwirtschaft betrieben, jetzt zogen weltliche Besitzer ein. Der erste war Theodor Hellersberg, ein Großbauer und Fährmann, der seinen Hof am Rhein gegenüber Düsseldorf-Hamm hatte, an der alten Eisenbahnbrücke. Er erwarb das Land und die Gebäude.

Sein Schwiegersohn, Franz Melchers, führte das Werk fort und vergrößerte den Hof beträchtlich. Nach beiden Männern wurden Neusser Straßen benannt.

1969 wurde der Hof von der Stadt Neuss erworben. Die großen Ländereien wurden für Wohnhäuser und Sportstätten genutzt.

Gut Gnadental heute

Seit dem 1. Januar 1996 hat Zülow Gut Gnadental von der Stadt Neuss erworben.

Als Erinnerung an das Kloster haben wir hier im Innenhof eine kleine Kapelle errichtet, deren Altarbild von dem Neusser Künstler Dieter Patt geschaffen wurde.

Seither wurde Gut Gnadental in vielen mühseligen Baumaßnahmen restauriert und saniert.

Wo einst Vieh und Getreide zu Hause waren, sind heute Büro- und Seminarräume entstanden – stets mit der Vorgabe dem historischen Gebäuden gerecht zu werden und die Umbau- und Restaurierungsarbeiten dem damaligen Stil anzupassen.

UMBAU & RENOVIERUNG

Hier sehen Sie Bilder von der Renovierung kurz nach dem Erwerb von Gut Gnadental durch Zülow und entsprechende nach Fertigstellung der Renovierung.

EIN BESONDERER BEWOHNER AUF GUT GNADENTAL

Burkhard Zülow hat sich einen Traum erfüllt – eine maßstabsgetreue Kopie des Quirinus, dem Schutzheiligen von Neuss, steht zum Anfassen auf Gut Gnadental zwischen Kapelle und Olivenbaum.

EIN QUIRINUS ZUM ANFASSEN

Der ehemalige Oberpfarrer Hans Dieter Schelauske, Jutta und Burkhard Zülow und Kreisdechant Pfarrer Jochen Koenig vor der Segnung der Quirinius-Figur.

Ein Spaziergänger hat ihn schon gesehen, und überrascht gefragt: Haben sie ihn jetzt noch mal vom Dach geholt? Nein, Quirinus steht nach wie vor in 55 Meter Höhe auf dem Münster und wacht über der Stadt.

Ein zweiter Quirinus aber hat jetzt seinen Platz auf dem Gut Gnadental gefunden – dem Original von Künstlerhand bis ins Kleinste nachempfunden, in Bronze gegossen, steht er exakt halb so groß wie der Münster-Quirin ebenerdig, mannsgroß, neben einem eigens gepflanzten 200 Jahre alten Olivenbaum auf historischem Boden.

 

SO NAH UND DOCH UNERREICHBAR

Es ist ein alter Gedanke von Burkhard Zülow, dem Inhaber des Gutes, die Figur des Qurinus den Menschen näher zu bringen. Als Junge, so erzählt der gebürtige Pommer, habe er in einem Patrizierhaus an der Rheinstraße gewohnt, täglich auf Qurinus geblickt. „Er war so nah – und doch unerreichbar.“ Viele Jahre später kaufte der erfolgreiche Unternehmer Gut Gnadental, restaurierte, sanierte, mühte sich auf dem Stück Land, das ursprünglich dem Quirinus-Stift gehörte, unterstützt von Sabine Sauer von Bodendenkmalamt um zahllose historische Details.

Schließlich wollte der Mann, der immer wieder für Behinderte spendet, die Figur des Quirinus auf dem Hof des früheren Zisterzienserinnen-Kloster aufstellen, vor der kleinen, neu erreichteten Kapelle. „Ich wollte ihn auch holen für die, die mit den Händen sehen“, sagt Zülow.

Hans Dieter Schelauske als Oberpfarrer von St. Quirin stimmte zu, der Bildhauer und Künstler Michael Franke erhielt den Auftrag mit dem Maßgabe „keine künstlerische Freiheit“. Es traf sich, dass das Standbild gerade zur Restaurierung in einem Atelier zu begutachten war.

Er sei schon „sehr nervös gewesen“, bekennt Burkhard Zülow. Wie würde Pfarrer Schelauske auf die Arbeit reagieren? Doch die erste Begegnung verlief durchaus angenehm. „Mir kam es vor, als hätten sich beide angelächelt“, sagt der Mann mit dem Sinn für die Historie. „Ich hätte sonst alles abgeblasen und Quirinus nach Pommern geschickt.“

Text (C) 28.04.2007- Ulla Dahmen Westdeutsche Zeitung www.wz-newsline.de, Foto (C) Uli Engers